Kulturelle Vielfalt und respektvolles Zusammenleben in Nürtingen
Der Gründer der FKN , K.H. Türk, war auch ein stadtpolitisch sehr engagierter Mensch, nicht nur hinsichtlich des Erhalts und der Umnutzung alter Bausubstanz, sein kritisches Begleiten der Gemeindepolitik hat nicht nur mich, sondern auch einige andere Studierende ermutigt, sich aktiv in das Stadtgeschehen einzubringen. Ein wichtiger Impuls waren hier die »Kultursommer« zwischen 1986 und 1990, an denen ich mich auch organisatorisch in der »Kultur-Initiative« beteiligte und beim kollektiven »Bierbank-Aufstellen« und ähnlichen Vergnügungen langjährige Freundschaften und Kontakte knüpfte.
»Nürtingen die poetische Stadt am Neckar«
Meine künstlerischen Ambitionen konnte ich in Zusammenhang mit dem 1. Kultursommer 1986 erstmals im öffentlichen Raum umsetzen bei der Kunst-Aktion »21.6.86«, einer Multimedia-Schau mit experimenteller Musik, Lasershow und einem Floss auf dem Neckar. Seither ist der Neckar für mich immer wieder ein Ort für künstlerische Aktionen gewesen, so z.B. bei der Theater-Aktion »Das Hölder-Ding« am nächtlichen Neckarufer, dem heulenden Hölderlin auf einem Floss anlässlich des 1. Stadtfestes am Neckar oder aktuell den schwimmenden Friedenstauben (gebaut mit geflüchteten Menschen) anlässlich der Nürtinger Friedenswochen.
Nürtingen als Stadt am Neckar habe ich nicht nur für mich selbst entdeckt, sondern auch als Chance für die Stadtentwicklung. Zusammen mit anderen Kulturschaffenden wurde zu Beginn der Amtsperiode von OB Heirich ein Konzept erarbeitet und bei der Stadt eingereicht mit dem Titel »Nürtingen die poetische Stadt am Neckar«. Das kulturelle Potential Nürtingens als zeitweiligem Wohnort von Hölderlin, Schelling, Mörike, Peter Härtling und Harald Schmidt haben wir in diesem Konzeptionspapier ausgearbeitet als Chance für eine prägnante städtische Identität, verortet am Neckar, geküsst von den Musen. Leider hat die Muse bisher vergeblich geküsst, die engagierte Umsetzung der Konzeption wartet noch immer im Dunkel einer städtischen Verwaltungs-Schublade auf ihre Zeit. Aber die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.
Nichts lebt so lange wie ein Provisorium
Aus dem »Nürtinger Kultursommer« ging dann 1989 zunächst ein provisorisches Kulturcafé hervor, zunächst in der Kino-Passage, das sehr gut angenommen wurde und aufzeigte, dass ein kultureller Treffpunkt in der Innenstadt dringend notwendig war. Im folgenden Jahr, anlässlich der kulturellen Bespielung der extra dafür gesperrten Durchfahrtsstrasse vor der Stadthalle zog das provisorische Kulturcafé dann in den Stadthallen-Anbau, die ehemalige Stadtbücherei, und von dort war es dann nur noch ein kleiner Schritt zur Verstetigung des Kulturcafés »PROVISORIUM« als soziokulturelles Zentrum. Ich war seinerzeit Mitbegründer und langjähriger Vorstand des neu gegründeten Vereins, der sich in dieser Zeit für die Etablierung eines soziokulturellen Zentrums mitten in der Stadt engagierte. Später wurde das »Provisorium« in den Keller der Stadthalle verdrängt, immerhin konnte noch durch gemeinsames Engagement des Vereins der Erhalt des ehemaligen »Hausmeister-Hauses« bewirkt und die »Zentral-Bar« etabliert werden. Kulturkämpfe gegen emanzipatorische Initiativen hatten in der Vergangenheit in Nürtingen leider eine unrühmliche Tradition, das haben viele engagierte Mitbürger*innen immer wieder erleben müssen. Bekanntlich lebt aber nichts so lange wie ein Provisorium und das Nürtinger »PROVISORIUM« ist der lebendige Beweis dafür.
Engagement für die „offenen Gesellschaft“
Die Mit-Begründung, der Aufbau und Erhalt kultureller und politischer Initiativen ist für mich seither zur permanenten Aufgabe in Nürtingen geworden. Anlässlich des AfD-Parteitages 2017 in der Nürtinger Stadthalle wurde »Nürtingen ist Bunt« ins Leben gerufen und innerhalb weniger Tage das beachtliche emanzipatorische Potential Nürtingens aktiviert. Zahlreiche Initiativen haben sich bei diesem Anlass zusammengeschlossen und mit weit über Tausend Menschen die »offene Gesellschaft« vor der Stadthalle gefeiert. Den Aufstieg des Rechtsradikalismus weltweit und auch in unserer Stadt ist für mich eine Verpflichtung zur gesteigerten Wachsamkeit gegenüber allen rassistischen, nationalistischen und autoritären Tendenzen. Den öffentlichen Raum gegen diese Kräfte zu verteidigen ist seit einigen Jahren zu einer zeitaufwändigen, aber mit Herzblut und viel künstlerischer Phantasie verfolgten Aufgabe für mich geworden. Kulturelle Vielfalt, gelingende Integration und respektvolles Zusammenleben sind zentrale Werte, für die ich mich einsetze.
Engagement für den ökologisch-sozialen Wandel
Aber auch die Bedrohung durch den forcierten Klimawandel ist Anlass für mich, mich lokal zu engagieren. Die Rolle von Kommunen hinsichtlich wirksamer Klimaschutz-Maßnahmen ist meiner Ansicht nach zentral, deshalb engagierte ich mich von Anfang an bei der Ortsgruppe von »Fridays for Future« und bringe mich vor allem mit künstlerischen Ideen und Gestaltungen bei den regelmäßigen Demonstrationen und Aktionen ein. Der Klimawandel erfordert ein Umdenken und einen neuen Lebensstil, dessen Voraussetzung ein anderes Denken über unsere Einbettung in den Gesamt-Zusammenhang der Natur voraussetzt. Deshalb betreibe ich seit einigen Jahren zusammen mit anderen Kulturschaffenden das sogenannte »noch-nicht-institut«, das sich um alles kümmert, was noch werden könnte (oder sollte). In Gesprächsrunden, philosophischen Cafés, Veröffentlichungen und Symposien werden in diesem Institut die gesellschafts-gestalterischen Potentiale der Kunst und der Philosophie erkundet, »Zukunfstfähigkeit« ist das zentrale Anliegen dieses Projektes, global und ganz konkret vor Ort in Nürtingen (mehr unter www.nn-akademie.de).
Engagement für die Zukunft Europas im Sinne der »offenen Gesellschaft«
Überlokal engagiere ich mich seit einigen Jahren für die Zukunft Europas mit dem Projekt »NEUROPA«, bei dem ich seit 2017 zusammen mit verschiedenen Wegbegleitern auf dem »Jakobsweg rückwärts« zu Fuß Europa erkunde und Gespräche mit »Entgegenkommenden« zum Thema Europas Zukunft führe (https://reset2017blog.wordpress.com). Ich bin überzeugt, dass das Projekt eines einigen Europas zukunftsnotwendig, aber aktuell auch sehr bedroht ist. Nur wenn wir uns aktiv auch als »Europäer*innen« engagieren, kann sich Europa zu einem friedensstiftenden und freiheitlichen Projekt entwickeln.
Was ich sonst noch so mache?
Neben meinen Lehraufträgen an Hochschulen andernorts (München, Wien) betreibe ich seit vielen Jahren das »Atelier für Kunst und Therapie« in der Seegrasspinnerei zusammen mit meiner Frau Heidi Brennenstuhl, ich realisiere mit nicht nachlassender Begeisterung immer wieder partizipative Kunstaktionen mit verschiedenen Personengruppen, u.a. geflüchteten Menschen oder Menschen mit Behinderungen sowie künstlerische Aktivitäten an Schulen oder im Freizeitbereich mit Kindern und arbeite natürlich konsequent am eigenen künstlerischen Werk in meinem Atelier in Nürtingen (www.ambweb.de).
Aber trotz gelegentlicher geistiger Höhenflüge bleibe ich (hoffentlich) dem Nürtinger Boden verhaftet und bemühe mich zusammen mit vielen gleichgesinnten Menschen das Leben hier zukunftsfähig mitzugestalten. Und deshalb kandidiere ich nun auch für den Gemeinderat in Nürtingen.