Regenüberlauf-Teufelsklinge

Schematischer Stadtplan von Nürtingen mit Kennzeichnung der Lage der Teufelsklinge
Regenüberläufe, sind eine ziemlich, unappetitliche Angelegenheit,

Regenüberläufe sind bauliche Anlage bei Misch­wasser­kanal­systemen. Bei Mischsystemen wird Regen- und Schmutzwasser gemeinsam in einem Kanal zur Kläranlage geleitet. Ist das vorhandene Kanalsystem zu gering dimensioniert, wird zur Entlastung bei hohen Abflussspitzen mit Regenwasser verdünntes häusliches, gewerbliches und industrielles Abwasser ohne vorherige Reinigung in ein naheliegendes Gewässer eingeleitet. Diese Entlastungsbauwerke sind genehmigungspflichtig und in hohem Maße für den schlechten Zustand unserer Gewässer verantwortlich. Zur Verbesserung der Gewässergüte wurden durch die Novellierung der europäischen Wasserrahmenrichtlinien die Rahmenbedingungen zur Genehmigung derartiger Anlagen stark eingeschränkt.

  • Regenüberläufe leiten Abwässer ungeklärt, aber mit Regenwasser verdünnt, in nahegelegene Flüsse (Aich, Tiefenbach, Steinach und Neckar);
  • In Nürtingen sind 34 Regenüberläufe installiert und in Betrieb
  • Für die Teufelsklinge gibt es seit 1977 eine Vereinbarung, die bis zum 31.12.2001 befristet war;
  • Seit 2007 hat die Stadt Nürtingen mehrere Lösungsansätze untersuchen lassen, allerdings ohne ein realisierbares Ergebnis
  • Am 16.8.2016 hat das Landratsamt Esslingen unter Auflagen die weitere Einleitung von Schmutzwasser genehmigt;
  • Diese Auflagen hat die Stadt Nürtingen bis heute nicht umgesetzt;
  • Von 31.12.2001 bis 16.8.2016 erfolgte somit die Einleitung in den Teufelsklingenbach ohne Genehmigung.

Regenüberlauf

Zur Entlastung bestehender Kanalsysteme wird in Nürtingen bis heute immer noch häusliches Abwasser mit Regenwasser vermischt direkt in unsere Flüsse und Bäche geleitet. Allein auf der Gemarkung Nürtingen gibt es derzeit 34 Regenüberläufe, an denen bei Starkregenereignissen mit Regenwasser vermischtes Abwasser ungeklärt in nahegelegene Bäche und Flüsse (Aich, Tiefenbach, Steinach und Neckar) eingeleitet wird.

Im Rahmen der Genehmigung derartiger Einleitungen muss sichergestellt werden, dass die Schadstofffracht (Schmutz­wasser­konzentration) möglichst gering gehalten wird und dem neuesten Stand der Technik entspricht. Desweiteren muss sichergestellt werden, dass die Einleitung ohne hydraulische Schäden (Erosion und Beeinträchtigung der Gewässerbiozönose) vom Gewässer (Flüsse/Bäche) aufgenommen werden kann.

Bereits mit der Novellierung der europäischen Wasser­rahmen­richtlinien im Jahr 2001 sollten diese Einleitungen unterbunden bzw. reduziert werden. Kommunen sollten Maßnahmen umsetzten, mit denen die Häufigkeit der Einleitungen wie auch die Schmutzfrachtkonzentration der Einleitung verringert werden und somit einen Beitrag zur Verbesserung der Gewässergüte leisten.

Die Situation am RÜ 10.3 - Teufelsklinge

Gemäß der Planung und Vereinbarung aus dem Jahr 1975 zwischen Wolfschlugen und Hardt sollten verschiedene Schachtanlagen und ein Regenüberlaufbecken gebaut werden. Durch den bis dahin unkontrollierten Zufluss war der Teufelsklingenbach bereits tief eingeschnitten und stark ausgekolkt. Vor der Einleitungsstelle wurde zusätzlich eine Kolksicherung (Tosbecken) mit Pflasterung an beiden Ufern geplant. Gemäß dem Erläuterungsbericht zur damaligen Planung sollte die Verschmutzung am Teufelsbach mit diesen Maßnahmen endgültig beseitigt werden. Da die tatsächlich ankommende Wassermenge als sehr gering angesehen wurde, war ein Regenüberlaufbecken gemäß dem Erläuterungsbericht vom 05.05.1977 nicht erforderlich.
Karte Hardt

Mit Schreiben vom 16.05.1975 wird vom Landratsamt Esslingen „die widerrufliche Erlaubnis erteilt, bei Regen die häuslichen, gewerblichen, industriellen und aus Spülaborten anfallenden Abwässer, verdünnt durch Regenwasser“, aus den Gebieten der Gemarkung Hardt und Wolfschlugen vorerst ohne vorherige Reinigung in einem Regenüberlaufbecken einzuleiten. Die Genehmigung (Entscheidung zur Einleitungserlaubnis) wurde befristet bis zum 31.12.1999 und berücksichtigte die Entlastung für ein Siedlungsgebiet (ca. 15,3 ha) und ein Gewerbegebiet (2,1 ha) von Wolfschlugen sowie eine kleine nördlich der L1205 gelegene Teilfläche vom Stadtteil Hardt. Zur Berechnung der Abflussmengen aus dem Gewerbegebiet wurde ein Bemessungsregen von 100 l/s/ha angesetzt, um für die Kanalbemessung noch Reserven zu haben.

Mit der Nachtragsentscheidung vom 16. August 1977 zur Entscheidung vom 16.05.1975 wurde der Stadt Nürtingen und der Gemeinde Wolfschlugen auf Antrag vom 12.08.1977 die widerrufliche Erlaubnis zur Einleitung von 2.420 l/s/ha befristet bis zum 31.12.2001 erteilt.

Als Berechnungsgrundlage wurde bei diesen Berechnungen eine Siedlungsfläche von Wolfschlugen (8,40 ha) mit einem Bemessungsniederschlag von 50l/s/ha und ein Gewerbegebiet (22,25 ha) angesetzt. Den Berechnungen wurden 400 Einwohner zugrunde gelegt. Zusätzlich wurden 3,45 ha Außengebiet in den Berechnungen berücksichtigt.

Unter Einbeziehung der Flächen aus dem Einzugsgebiet wurde ein Gesamtabfluss von 2805 l/s berechnet. Im Endausbau wurde der kritische Abfluss zur Kläranlage mit 363 l/s berechnet. Der restliche Abfluss von 2442 l/s, ebenfalls mit Schmutzwasser vermischt, wird über den Teufelsgraben (Teufelsklingenbach) in die Aich geleitet.

Verschiedene Planungen ohne Lösung

Von Seiten der Stadtverwaltung hat man sich erst im Jahr 2007, also 6 Jahre nach Ablauf der Genehmigung (31.12.2001) dieses Problems wieder angenommen. Das Ingenieurbüro W. Walter wurde mit der Überrechnung der Situation am Regenüberlauf 10.3 (Schacht 86) an der Teufelsklinge beauftragt. Diese Berechnung hat wohl wenig aufschlussreiche Informationen zu Tage gebracht und wurde von der Stadtverwaltung nicht weiter verfolgt.

Im Zeitraum von 2012 bis zum Jahr 2014 wurden vom Ingenieurbüro Fritz wieder Lösungsansätze zur Genehmigung der Einleitung an der Teufelsklinge erarbeitet. Dabei wurde der Bau eines Regenrückhaltebeckens, wie auch eines Regenüberlaufbeckens und einer zusätzlichen Entlastungsleitung (weiterer Regenüberlauf) untersucht und berechnet. Das sehr ernüchternde Resümee dieser Arbeit war die Erkenntnis, dass ein Regenrückhaltebecken eine nicht realisierbare Dimension einnehmen würde und der Bau eines Regenüberlaufbeckens nach Füllung zu einer Erhöhung der einzuleitenden Wassermenge führen würde. Eine zusätzliche Entlastungsleitung wäre gemäß der Stellungnahme vom Ingenieurbüro Fritz aufgrund des bewegten Geländes im Einzugsgebiet viel zu teuer.

In Kenntnis der nicht gelösten Probleme und fehlenden Genehmigung für die Einleitung von mit Regenwasser verdünntem Schmutzwasser wurde von Seiten der Stadtverwaltung immer wieder versucht, weitere Planungen für den Bachausbau und Maßnahmen zur Uferbefestigung im Naturdenkmal Teufelsklinge zu beauftragen.

Obwohl die Anforderungen für die Genehmigung von Schmutzwassereinleitungen in Flüsse und Bäche durch die Novellierung der europäischen Wasserrahmenrichtlinien wie auch die Ansätze für die Bemessungsniederschläge deutlich erhöht wurden, die Einwohnerwerte von ehemals 400 auf 578 angestiegen sind und auch der Anteil der Flächenversiegelung im Gebiet gestiegen ist, hat das Landratsamt Esslingen am 16.08.2016 die wasserrechtliche Erlaubnis zur weiteren Einleitung von Schmutzwasser in die Teufelsklinge am RÜ 10.3 mit einigen Auflagen erteilt. Nach den Darstellungen vom Landratsamt Esslingen konnte die Genehmigung erteilt werden, weil durch die im Regenüberlauf eingebaute Blende (Blech) die Abflusssituation nicht so schlecht sein soll wie ursprünglich angenommen. Wenn dem so ist muss man sich die Frage stellen, warum von Seiten der Genehmigungsbehörde (Landratsamt Esslingen) Auflagen zur Genehmigung erteilt werden, nach welchen die Regenmenge am RÜ 10.3 reduziert werden sollte. Die Auflagen sollten bis zum 31.12.2018 erfüllt werden. Von Seiten der Stadtverwaltung wurden hierzu bis heute keine Lösungen vorgetragen.

Gegen diese Genehmigung der Einleitung hat die Teufelsbrücken- Initiative eine EU-Beschwerde eingereicht.

Unsere Gewässer sind gesundheitsgefährdend

Auch die Tatsache, dass im Jahr 2013 in Abstimmung mit dem Landratsamt ein Nebenarm (Ausleitungsstrecke aus dem RÜ 10.3) der Teufelsklinge auf ein hundertjähriges Ereignis ausgebaut wurde, spricht eher dafür, dass die Abflusssituation schlimmer ist, als von den Behörden dargestellt. Berichte zur Gewässergüte der Stuttgarter Zeitung vom 7.3.2019 zum Bau einer Surf-Welle verdeutlichen dies.

Trotz dieser allgemein bekannten erheblichen Verschmutzung unserer Gewässer empfiehlt der Landkreis Esslingen in einer Broschüre „Lernorte an Gewässer“ (s.u.) diese als Erlebnisorte für Kinder.

Darstellung der Gesamtkosten zur Sanierung derTeufelsbrücke und der Sanierungen im Bachbett

Der gesamte Sachverhalt zur Brücke und dem Regenüberlauf konnte von der Teufelsbrückeninitiative erst im Rahmen der Sanierung der Teufelsbrücke erfasst und nach und nach aufgearbeitet werden, so z.B. auch die Kostensituation.

Die bisherigen Gesamtkosten für die Maßnahmen zur Sanierung der Teufelsbrücke und die Bauaktionen im Bachbett wurden in Sitzungsvorlagen (BA 17.03.2015) wie auch Presseberichten mit ca. 600.000 € angegeben. Darin sind jedoch bereits verschiedene Maßnahmen und Leistungen enthalten, welche durch die Einleitung von mit Regenwasser verdünntem Abwasser am RÜ 10.3 entstanden sind. So mussten z.B. erhebliche Mengen Ablagerungen im Bachbett entsorgt werden (ca. 25.000 €). Zudem sind Kosten für den Ausbau und die Bachbettsicherung im Jahr 2013 von ca. 90.000 € angefallen. Diese Kosten wurden zwischen der Stadt Nürtingen, der Gemeinde Wolfschlugen und der Straßenbauverwaltung anteilig verrechnet.

Für die Maßnahmen des 1. und 2. Bauabschnittes zur Sanierung und Sicherung der Teufelsbrücke wurden Kosten von ca. 500.000 € angegeben. Für diese Sanierung der Brücke hat die Stadt Zuschüsse von insgesamt ca. 220.000 € erhalten. Zusätzlich sind Spenden (23.159 €) für die Brückensanierung eingegangen und es wurden Erlöse aus dem Holzverkauf (2.128 €) erzielt. Für die Stadt Nürtingen liegen die tatsächlichen Kosten der Sanierung der Teufelsbrücke somit bei ca. 255.000 €. Welche Summen z.B. für die Beseitigung der Schäden durch den Regenüberlauf bzw. die Herstellung der Sohlpflasterung darin noch enthalten sind, ist derzeit noch nicht bekannt. Die fehlenden 100.000 € setzen sich zusammen aus zusätzlichen Maßnahmen für Entsorgung von Ablagerungen (ca. 20.000 €) und Anpassungsarbeiten (ca. 30.000 €) sowie ca. 50.000 € für bereits erbrachte Leistungen des 3. Bauabschnittes (Sohlbefestigung) und können somit auch nicht der Teufelsbrücke zugeschlagen werden. Weitere Kosten von ca. 250.000 - 300.000 € sind nach Auffassung der Stadtverwaltung noch zur Bachbettsanierung erforderlich.

Die Fraktion NT14 und auch eine Mehrheit im Gemeinderat hat diesen Sanierungsmaßnahmen bisher nicht zugestimmt. Unabhängig von der inzwischen vom Landratsamt Esslingen erteilten Genehmigung, muss zuerst die Abflusssituation am Regenüberlauf nachhaltig verbessert, bzw. müssen Vorschläge zur Reduzierung der Abfluss- und der Einleitmengen erarbeitet werden. Hierzu bedarf es natürlich auch der umfassenden Information. Anträgen und Anfragen zur Akteneinsicht wurden von der Stadtverwaltung bisher nicht stattgegeben bzw. eingegrenzt.

Die Erarbeitung von Lösungsansätzen ist im vorliegenden Fall auch deshalb besonders schwierig, da der Antragsteller (Stadt Nürtingen) nur über einen sehr geringen Anteil an Flächen in dem Gebiet verfügen kann. In der Sitzungsvorlage zur BA-Sitzung vom 27.09.2016 wird dargestellt, dass eine Kostenbeteiligung für das zum großen Teil auf Wolfschluger Gemarkung anfallende und dann in der Teufelsklinge auf Nürtinger Gemarkung abfließende Wasser von der Gemeinde Wolfschlugen, „rechtlich, auch nach dem Wasserhaushaltsgesetz nicht durchsetzbar“ ist.

Unter den gegebenen Bedingungen (Wassergesetze, Schmutzfrachtkonzentration und Häufigkeit des Anspringens des Regenüberlaufes) hätte eine weitere Erlaubnis zur Einleitung von Schmutzwasser am RÜ 10.3 nicht mehr erteilt werden dürfen.

Lernorte und Wasserqualität

Eingegliedert in die Initiative „Unser Neckar“ wird ein Projekt "Lernorte am Wasser" von Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft getragen und von weiteren Partnern im Netzwerk der Gewässer wie z.B. Häfen, Natur- und Umweltschutzverbände, Regierungspräsidien, Schulverwaltungen uvm. unterstützt. Von der Quelle in Schwenningen bis zur Mündung in Mannheim gibt es am ganzen Neckar über 80 Lernorte zu verschiedenen Themen. Als geeignete Lernorte werden zum Beispiel renaturierte Gewässerabschnitte, Altarme, gut erreichbare Flussabschnitte im städtischen Raum, Schleusen, Häfen, Kläranlagen oder Wasserkraftanlagen genannt. Sie zeichnen sich durch einen sicheren Zugang zum Gewässer und überwiegend durch eine gute Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln aus. Auch der Landkreis Esslingen informiert auf seiner Homepage über verschiedene Lernorte an Nebengewässern des Neckars. Glücklicherweise wurden bei der Auswahl der Lernorte im Landkreis Esslingen bevorzugt Standorte ohne bzw. mit wenigen Einleitungen von Regenüberläufen bzw. Kläranlagen berücksichtigt. Leider oder aber aus guten Gründen wird die Gewässergüte nicht als Auswahlkriterium aufgeführt. Wie verschiedenen Veröffentlichungen zu entnehmen, wird der Zustand in vielen Gewässern als sehr schlecht bzw. nach einem WWF-Report vom 05.11.2018 als prekär eingestuft. Die Umweltorganisation WWF kommt nach Untersuchungen der deutschen Gewässer zu einem vernichtenden Urteil „Der Zustand deutscher Gewässer ist flächendecken prekär und verstößt gegen die Wasserrahmenrichtlinie“! Bei Untersuchungen im Vergleich aller Bundesländer hat Schleswig-Holstein noch am besten abgeschnitten. Laut dem WWF-Report ist jedoch auch dieses Bundesland weit hinter den gesetzlichen Vorgaben der EU-Wasserrahmenrichtlinien. In Kenntnis dieser Sachverhalte ist es mehr als verwunderlich, dass die eingereichte Aufsichtsbeschwerde abgewiesen und die eingereichte EU-Klage seit über zwei Jahren nicht bearbeitet wurde.

Im Pressebericht der Stuttgarter Zeitung vom 11. April 2019 wird die Wasserqualität im Neckar durch die Absage der Behörden an die Stuttgarter Neckarwelle in den Fokus gerückt, „Was das Gesundheitsamt im Wasser gefunden hat, ist nicht sehr appetitlich“! Ergebnisse von 18 Proben, die das Landesgesundheitsamt entnommen hat verdeutlichen den Grad der Verschmutzung. Als ziemliche Fäkalbrühe (Norovirus und E-Coli-Bakterien) wird der Neckar dargestellt. Laut dem Landesgesundheitsamt berichten 5 bis 21 Prozent der Triathleten, die den Fluss durchquert haben von Magen-Darm-Beschwerden. Trotzdem wurden in Kenntnis dieser Sachverhalte auch im Jahr 2016 vom Landratsamt Esslingen noch immer Einleitungen genehmigt.